Osseointegratives Oberflächendesign für keramische Fingergelenkimplantate

Forschung aktuell

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Röntgenbild: erkrankte Hand.
© Fraunhofer IKTS
Mikrostruktur von Si3N4 (a) und ATZ (b).

Patientenspezifische Implantate versprechen eine hohe Pass­genauigkeit und damit eine bessere Funktionalität und Lebens­dauer. Die Individualisierung ist darüber hinaus eine große Chance für die Bereiche, in denen die Möglichkeiten der Im­plantatversorgung und Remobilisierung noch unzureichend sind. Bisher besteht die Therapie von Kleingelenken, speziell im Bereich der Finger, überwiegend in der Versteifung der Gelenke, was die Mobilität einschränkt. Dies betrifft in Deutschland allein 5 Mio. Menschen, die an symptomatischer Arthrose und 1,5 Mio. Menschen, die an rheumatischen Erkrankungen leiden. Im Fraunhofer-internen Projekt »Remobilisierung von Finger­gelenken durch KI-basierte Rekonstruktion und Generierung patientenindividueller Keramikimplantate – FingerKit« arbeiten die Fraunhofer-Institute IAPT, IKTS, ITEM, IWM und MEVIS zu­sammen, um erstmals eine durchgängige automatisierbare Pro­zesskette bei der Herstellung patientenindividueller Implantate vom Design über die Fertigung bis hin zur zertifizierungskon­formen Prüfung zu ermöglichen. Das IKTS beschäftigt sich in FingerKit mit dem Material- und Oberflächendesign für kera­mische Implantatwerkstoffe. Durch individuelle Anpassung der mechanischen Festigkeit, der Osseointegration (Anwachsen der Knochenzellen an das Implantat) und des Implantat-Designs soll die Langzeitstabilität der Fingergelenkimplantate gegenüber dem aktuellen Standard deutlich erhöht werden. Das Schlicker­gussverfahren für die oxidkeramischen Materialien 3Y-TZP und Aluminiumoxid-verstärkte Zirkonoxid-Keramik (ATZ) ermöglicht eine direkte Formgebung über eine poröse, strukturierte Form. Dafür wurden komplex geformte Gießformen mit Struktur her­gestellt, das Abformverhalten beim Gießprozess untersucht sowie entsprechende Werkstoffkenndaten ermittelt. Ziel ist die Herstellung der Fingergelenk-Prototypen mit einer Makro-/ Mikro-Oberflächenstrukturierung der Außenflächen in einem Prozessschritt, welche exemplarisch mittels Weißlichtinterferenz­mikroskopie darstellbar ist. In einem parallelen Entwicklungs­strang wird Siliciumnitrid (Si3N4) als biokeramischer Werkstoff eingesetzt. Die Implantatfertigung wird hier mit dem CerAM VPP-Prozess (Lithoz LCM-Technologie), einem 3D-Druckverfahren, realisiert. So können beispielsweise sogenannte TPMS-Strukturen (triply periodic minimal surfaces, Bild 3) generiert werden, die von ihrer Struktur her mechanisch und osseointegrativ viele Vorteile mit sich bringen. Darüber hinaus wird die unikale Ober­flächenchemie des Si3N4 modifiziert, um die Interaktion mit dem umgebenden Gewebe weiter zu optimieren. Mit diesen gezielten topografischen und chemischen Modifizierungen der Keramikoberflächen soll die Osseointegration von Implantat­werkstoffen maßgeblich verbessert werden.

TPMS-Struktur aus Si3N4.
© Fraunhofer IKTS
Topographie des Implantats mittels Weißlichtinterferenzmikroskopie