Autor: Anika Peucker

Von der Medizin in die Industrie: Mit der Optischen Kohärenztomographie (OCT) ins Auge und auf Keramik geschaut

Beim Augenarzt ist die Optische Kohärenztomographie (OCT – optical coherence tomography) Standard, denn sie zeigt ihm, ob Netzhaut, Glaskörper und Sehnerv gesund sind. Die OCT lässt ihn auf den Augenhintergrund blicken, den Grünen Star frühzeitig erkennen und dessen Verlauf beobachten. Beliebt ist das Verfahren auch deshalb, weil es kontaktlos misst und störungsfrei auf das Auge einwirkt. Der Augenarzt gewinnt auf solch einfache, schnelle Weise aus den aufgenommenen Daten jede Menge essentielle Informationen, die er für die nächsten Behandlungsschritte braucht.

OCT-Arbeitsplatz. Wissenschaftler untersuchen Smartphones.
© Fraunhofer ITKS
OCT-Arbeitsplatz. Wissenschaftler untersuchen Smartphones.
3D-Rekonstruktion eines Displays untersucht mit OCT.
© Fraunhofer ITKS
3D-Rekonstruktion eines Displays untersucht mit OCT.
Fehlerdetektion – OCT-Abbildung eines Risses in einer mit lasergeschnittenen Keramik.
© Fraunhofer ITKS
Fehlerdetektion – OCT-Abbildung eines Risses in einer mit lasergeschnittenen Keramik.

Keramik, Kunststoff, Glas – zur Qualitätssicherung strahlt die OCT sie alle an

Aber nicht nur die Medizin, auch Unternehmen wollten sich die Vorteile, die die OCT für die Materialdiagnostik bereithält, nicht nehmen lassen. So etabliert sich nun nach und nach dieses Verfahren auch in der Industrie. Dabei wird breitbandiges, nahinfrarotes Licht in einer Kondensorlinse gesammelt, in den Strahlengang geschickt und vom Strahlteiler in zwei Strahlenbündel, den Mess- und den Referenzstrahl, aufgespalten. Während der Referenzstrahl auf einen Spiegel trifft und von diesem reflektiert wird, berührt der Messstrahl das Prüfobjekt. Das Licht wird an der Probe ebenfalls reflektiert und gestreut. Das zurückgestreute Licht interferiert mit dem Referenzstrahl. Diese Lichtüberlagerung wird mit einer Kamera aufgezeichnet und über eine Auswertesoftware optisch aufbereitet. Das Ergebnis liefert 2D- und 3D-Aufnahmen, die Aufschluss über Grenzflächen, Poren, Risse, Luftblasen und andere Materialfehler bieten. Ähnlich wie beim Auge erkennt der Materialwissenschaftler, ob und woran das Prüfobjekt »krankt«. Er erfasst sehr schnell ohne die Probe zu zerstören und ohne großen Präparationsaufwand qualitäts- und sicherheitsrelevante Schwachstellen, die die Lebensdauer eines Materials oder Verbundwerkstoffs beeinflussen. Inline, während der Bauteilproduktion eingesetzt, ermöglicht die OCT fehlerhafte Bauteile frühzeitig zu erkennen, den Produktionsprozess anzupassen sowie die Schlechten direkt auszusortieren. Ausschuss wird damit reduziert, Qualität gesteigert, Zeit und Personaleinsatz optimiert. Denkt man auch an die Verfahrensprozesse der Zukunft, an geschlossene Verfahrenskreisläufe und vollautomatisierte Produktionslinien – Stichwort Industrie 4.0 – die ebenso die Qualitätskontrolle umfassen, so sind inlinefähige Verfahren zur Materialdiagnostik innerhalb des Herstellungsprozesses ein Muss. Die industrielle OCT kann dies bei der Produktion keramischer Bauteile, von Kunststoffen und Verbundmaterialien, bei Gläsern oder während eines Extrusionsprozesses leisten. Auch Elektronik-, Solar- und Lebensmittelindustrie profitieren davon. Ob inline oder als eigenständiges Prüfverfahren, die Lichtstrahlen des Weißlichtinterferometers dringen je nach Material und Lichtintensität ein, zwei, drei Millimeter in den Werkstoff ein. Sie zeigen uns seine Oberflächenbeschaffenheit, die Topographie, und sein Inneres in diesen Tiefen. Das passiert im Mikrometerbereich mit einer Auflösung zwischen 20 und zwei µ-Meter.

Doch um nochmals zurück auf die Medizin und Pharmazie zu kommen. Die OCT erobert auch in diesen Branchen weitere Anwendungsfelder. In der Kardiologie und Gefäßdiagnostik wird sie in der kardiovaskulären Bildgebung erprobt. Das heißt, intravaskulär werden Gefäße durchleuchtet, um Verstopfungen, Ablagerungen, Verengungen und ähnliches zu erkennen. Die Pharmaunternehmen verwenden die Optische Kohärenztomographie zur Überwachung und Analyse der Tablettenbeschichtungen.

Die OCT bringt Luftblasen in der Kuststofffolie ans Licht.
© Fraunhofer ITKS
Die OCT bringt Luftblasen in der Kuststofffolie ans Licht.
Qualitätskontrolle einer Folienschweißnaht. Die OCT beantwortet Fragen zu möglichen Fehlern im Schweißprozess.
© Fraunhofer ITKS
Qualitätskontrolle einer Folienschweißnaht. Die OCT beantwortet Fragen zu möglichen Fehlern im Schweißprozess.
OCT-Tomogramm eines Wespenkopfes.
© Fraunhofer ITKS
OCT-Tomogramm eines Wespenkopfes.

#LNdWDD – die Nacht der verrückten Materialforscher: Wenn Gummibärchen das Licht der OCT erblicken

Wenn man mit der OCT derartige Oberflächen untersuchen kann, dann sollten auch Gummibärchen, Drachen und anderes Getier ein Leichtes sein. Das dachten sich zumindest unsere Materialwissenschaftler und bereiten eine ganze Menge Spannend-Verrücktes zur Langen Nacht der Wissenschaften am 16. Juni in Dresden vor. Erraten Sie nur anhand der Oberflächendaten, um welches Gummitier es geht? Das verspricht ein Spaß für kleine und große Kinder zu werden. Ganz nebenbei können Sie noch viel Wissenswertes über die Optische Kohärenztomographie und all ihre medizinischen, biologischen, pharmazeutischen und industriellen Einsatzgebiete lernen. Vorbeischauen lohnt sich allemal, auch bei unseren Nachbar. Gleich vier Fraunhofer-Einrichtungen konzentrieren sich auf dem Fraunhofer-Campus Winterbergstraße. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange.

Mehr Informationen zur Langen Nacht der Wissenschaften Dresden und zum Programm inklusive DVB-Gratisticket zum Pendeln zwischen den #LNdWDD-Stationen erhalten Sie auf der Seite zur Langen Nacht und der Website der Dresdner Fraunhofer-Institute. Schauen Sie auch einmal bei Facebook, Twitter und unter dem Hashtag #LNdWDD vorbei oder hier im Blog, auf unseren Twitter- und Facebook-Kanälen. Die Veranstalter der 15. LNdWDD haben extra eine Social Wall für alle eingerichtet.

3D-Modell von Knochengewebe untersucht mit OCT.
© Fraunhofer ITKS
3D-Modell von Knochengewebe untersucht mit OCT.
Tomogramm eines Zahnes. Im Innern ist die Verfüllung sichtbar.
© Fraunhofer ITKS
Tomogramm eines Zahnes. Im Innern ist die Verfüllung sichtbar.
Fasern eines Blutfilters, der bei der Dialyse verwendet wird.
© Fraunhofer ITKS
Fasern eines Blutfilters, der bei der Dialyse verwendet wird.