Piezotechnik kommt seit Jahrzehnten in Form von Aktoren, Sensoren, Ultraschallwandlern oder Generatoren in unterschiedlichsten Anwendungsfeldern zum Einsatz. Der wegen seiner herausragenden elektromechanischen Eigenschaften am häufigsten verwendete piezokeramische Werkstoff ist Pb(Zr1-xTix)O3 (PZT). Leider besteht er zu > 60 Gew.-% aus giftigem Blei. Unter dem Druck neuer Gesetzesrichtlinien (ROHS 2011/65/EU) ist die Forschung daher seit langem bestrebt, bleifreie Alternativen zu entwickeln. Hierbei hat sich K1-xNaxNbO3 (KNN) aufgrund guter piezoelektrischer Eigenschaften und einer hohen Curietemperatur als vielversprechend hervorgetan. Jedoch sind KNN-Werkstoffe deutlich weniger leistungsfähig als kommerziell erhältliche PZT-Verbindungen. Durch Dotierung der Verbindungen oder spezielle Sintertechniken kann eine Texturierung des Gefüges zu deutlichen Verbesserungen der piezoelektrischen Leistung beitragen. Dadurch lassen sich Eigenschaften gezielt erreichen, die mit PZT vergleichbar sind.
Texturierung bleifreier piezokeramischer Werkstoffe
Zur Texturierung des Gefüges wird oftmals das »Templated Grain Growth«-Verfahren genutzt. Dabei werden plättchenförmige einkristalline Template über einen Foliengießprozess ausgerichtet in den Grünkörper eingebracht. Durch epitaktisches Aufwachsen und anschließendes Kornwachstum an den Templaten erfolgt während der Sinterung ein orientiertes Wachstum der Körner, wodurch ein texturiertes Gefüge entsteht. Für KNN-Keramiken werden bisher NaNbO3 (NN)-Template eingesetzt. Diese können aber aktuell nur über ein kostenintensives und aufwendiges Salzschmelzverfahren bereitgestellt werden, weshalb die industrielle Anwendung von texturiertem KNN bisher praktisch ausgeschlossen ist. Schichtperowskite bilden aufgrund geordneter Defektstrukturen in ihrem Kristall plättchenförmige Morphologien aus und sind daher potenzielle Templatkandidaten. Sie können über eine Mischoxid-Route einfach hergestellt werden. Ein weiterer Vorteil ist die große Auswahl an verfügbaren Schichtperowskit-Verbindungen. Somit können nicht nur eine [100]-, wie es bei NN-Templaten der Fall ist, sondern auch eine [110]- oder eine [111]-Texturrichtung in ein Gefüge eingebracht werden.
Am Fraunhofer IKTS wurden mehrere Schichtperowskit-Verbindungen als potenzielles Templatsystem für die Texturierung von KNN-Keramiken entwickelt und untersucht. Hierbei konnte anhand von Gefügeanalysen gezeigt werden, dass KNN-Partikel epitaktisch an NaCa4Nb5O17-Templaten aufwachsen und dabei eine [110]-Wachstumsrichtung aufweisen. Somit ist erstmals der Nachweis erbracht, dass Schichtperowskite für die Texturierung von KNN-Werkstoffen geeignet sind. Weitere Entwicklungsarbeiten zielen nun auf die Templatgröße und -stabilität der Schichtperowskite, die Grünkörperqualität sowie die Sinterbedingungen ab, um letztlich ein texturiertes KNN-Gefüge zu erzeugen.