Autor / Video: Patrick Menke
#diensttalk mit Christian Klöppelt: Von Gewerkschaften bis Regierungen – Wissenschaftskommunikation als Treiber für Entscheidungen und einen faktenbasierten Dialog
Das Porträt am Dienstag. Beim #diensttalk geben unsere Mitarbeiter*innen einen kleinen Einblick in ihre Tätigkeiten und verraten, welche Vision sie antreibt.
Christian Klöppelt beschäftigt sich am IKTS-Standort in Halle (Saale) mit ökonomischen und ökologischen Bewertungen von Technologien und Systemen. Er erklärt, an welchen spannenden Themen er in der Arbeitsgruppe »Ökonomische Analyse und Nachhaltigkeit« arbeitet und warum Wissenschaftskommunikation aus seiner Sicht eine hohe Bedeutung hat.
Christian, wo sind wir hier und womit beschäftigst du dich?
Wir sind hier am Standort des Fraunhofer IKTS in Halle an der Saale in der Abteilung Technologieökonomik und Nachhaltigkeitsanalyse. Wir beschäftigen uns mit der Untersuchung und Bewertung von Technologien hinsichtlich ihrer ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen. Mich treibt dabei vor allem das Thema der Wissenschaftskommunikation sowie die ökonomische Bewertung von Wasserstoff um. Daraus ergeben sich zudem Weiterbildungsformate in deren Konzeption und Umsetzung ich involviert bin.
Was können wir uns darunter vorstellen? Hast du ein Projektbeispiel?
Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, die Stiftungsorganisation vom Deutschen Gewerkschaftsbund, entwickeln wir im Kompetenzcluster »Beschäftigungs-, Infrastruktur- und Industriepolitik in der Transformation« Methoden zur ökonomischen Bewertung der Transformationen hin zu einer dekarbonisierten Gesellschaft sowie zu Beschäftigungseffekten und Fachkräftebedarf.
Hierfür haben wir unterschiedliche Formate erarbeitet. Zum Beispiel haben wir in einer Studie über die Transformationspfade der ostdeutschen Chemieindustrie dargelegt, wie die Umstellung der Energieversorgung, die Verwendung nachhaltiger Rohstoffe sowie die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Produkte gelingen kann.
Ein anderes Beispiel ist unsere Serie „Faktencheck“, die wir entwickelt haben, um vertiefter auf Energiethemen, wie Kernenergie, Wasserstoff oder Elektromobilität einzugehen. Hier fokussieren wir uns auf eine verständliche Darstellung, erklären Vor- und Nachteile und beleuchten den Kostenfaktor der unterschiedlichen Technologien. Mit diesen Studien und Faktenchecks haben wir dann die Möglichkeit, Entscheidungshilfen für politische und wirtschaftliche Akteure bereitzustellen.
Kannst du einen kurzen Einblick in einen Faktencheck geben?
Im Faktencheck zum Thema Wasserstoff wollen wir klären, was man unter dem Begriff des grünen Wasserstoffs versteht, wie dieser hergestellt wird und sich der Preis entwickelt. Aus meiner Sicht spielt Wasserstoff eine Schlüsselrolle bei der Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Durch seine Eigenschaften kann er fossile Energieträger ersetzen, insbesondere in der Industrie und Energieversorgung. Daher ist es wichtig, dem Thema wissenschaftlich fundiert auf den Grund zu gehen, Mythen zu widerlegen und bspw. zu erklären, warum Deutschland seinen Bedarf an grünem Wasserstoff aus heimischer Produktion nicht vollständig decken kann.
Zwar verfügen wir über das Potenzial zur (dezentralen) Produktion von grünem Wasserstoff, jedoch sind die verfügbaren Flächen und die Energieerzeugungskapazitäten begrenzt. Bis 2030 sollen in Deutschland 10 GW Elektrolysekapazität entstehen. Bei einem Wirkungsgrad von 70 % entspricht dies 28 TWh. Diesem anvisierten Ziel steht nach heutiger Schätzung ein Bedarf von ca. 95–130 TWh in Wasserstoff und Derivaten gegenüber. Zur Deckung des Bedarfs und zur stabilen Versorgung wird Deutschland also langfristig auf Importe aus Regionen mit günstigerem Zugang zu erneuerbarer Energie angewiesen sein.
Arbeitet ihr auch mit internationalen Partnern zusammen?
Ja, auf jeden Fall. Ein spannendes, bereits abgeschlossenes Projekt ist die Studienreihe »Schrottbonus«. In dieser Studienreihe wurde das Einsparpotenzial von CO2 beim Recycling von Edelstahlschrotten im Vergleich zur Verwendung von Neumaterialien untersucht. Da oftmals ein diffuses Bild vorherrscht, was CO2 eigentlich ist, hatten wir die Idee, CO2 einen monetären Wert zu geben. Die Verwendung von Edelstahlschrott als Rohstoff für die Herstellung von rostfreiem Stahl führt zu Wohlfahrtsgewinnen. Heutige und künftige Generationen profitieren von Kosteneinsparungen aufgrund der vermiedenen Umweltbelastungen. Wir wollten die Frage beantworten, wie hoch die gesellschaftliche Ersparnis durch das Stahlrecycling liegt.
Das haben wir mit einem internationalen Team für den südostasiatischen Markt am Beispiel Thailand umgesetzt. So konnten wir den Schrottbonus, den es für Europa bereits gab, für Asien übersetzen und den Mehrwert von Edelstahlrecycling für Thailand quantifizieren. Als Ergebnis stellten wir fest, dass eine Tonne recycelter Edelstahlschrott bis zu 50 000 Bhat, also etwa 1325 Euro, an Umweltkosten spart.
Ein weiterer Fokus deiner Arbeit liegt auf Weiterbildungsformaten.
Genau, das ist in unserer Gruppe in den letzten Jahren immer mehr gewachsen. Durch die Verknüpfung meines persönlichen Interesses, Wissen zu vermitteln und meines betriebswirtschaftlichen Hintergrunds – ich habe eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen und später BWL studiert – freue ich mich über meine aktuelle Rolle in einem Projekt, in dem ein ganzheitliches Training der Fraunhofer-Gesellschaft zu erneuerbaren Energien angeboten wird. Dieses richtet sich an Regierungsvertreter*innen des malaysischen Staats. Ich vermittle dort mein Wissen über Projekt- und Changemanagement, sowie die ökonomische Bewertung von Wasserstoff.
Damit wir solche Weiterbildungsformate umsetzen können, stellen wir uns als erstes immer die Frage nach dem Qualifizierungsbedarf von Fachkräften. So haben wir beispielsweise den Qualifizierungsbedarf für einen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft untersucht und dazu eine Interviewreihe geführt und ausgewertet. In der Studie konnten wir die Notwendigkeit strategischer Ansätze zur Deckung dieses Bedarfs von Arbeitskräften unterstreichen. Außerdem haben wir die Rolle von Gewerkschaften und Betriebsräten sowie das Potenzial von Aus- und Weiterbildungsformaten erörtert, um den Anforderungen der sich entwickelten Branche gerecht zu werden.
Warum sind dir diese Aspekte der Wissenschaftskommunikation und Weiterbildung so wichtig?
Leider merke ich immer öfter, dass faktenbasiertes Wissen an Stellenwert verliert. Dinge, die gesetzt waren und als logisch gelten, werden in der Diskussion verstärkt torpediert. Wahrheiten werden verzerrt oder umgedeutet. Und hier kommt die Wissenschaftskommunikation ins Spiel. Wir bzw. unsere Projektpartner wollen sprechfähig bleiben, da sonst eine Diskussion nicht funktionieren kann. Und hier haben wir die Möglichkeit, in dieser aktuell schwierigen Diskurskultur einen Beitrag zu leisten, wissenschaftlich fundierte Ergebnisse in die Öffentlichkeit zu bringen. Diese Informationen können und sollen dann natürlich genutzt werden. Und so bin ich der Überzeugung, dass Dialoge weiterhin faktenbasiert stattfinden und Probleme gelöst werden.
Nun leistest du vor allem viel Kopfarbeit. Wie schaffst du es bei dieser Themendichte mal abzuschalten?
Eine Leidenschaft von mir ist das Kochen. Durch einige Reisen in Südostasien habe ich vor allem für die asiatische Küche ein Faible entwickelt. Eine gute Ergänzung dazu ist der Sport. Ich bin im Harz aufgewachsen und habe dort mit Snowboarden angefangen. Später kamen dann Surfen und Skateboarden dazu. Außerdem gehe ich auch regelmäßig mit meinen Kolleginnen und Kollegen zum Bouldern oder Squash. Das hilft sehr gut, um den Kopf freizubekommen.