Materialverwitterung unter realen Bedingungen in mariner Umgebung

Forschung aktuell

© Fraunhofer IKTS
Mesokosmos mit flexibler Innenausstattung.
© Fraunhofer IKTS
CT-Aufnahme von Biofilm auf Plastik.
© Thomas Mohr
Blick auf die Forschungsplattform im künstlichen Riff Nienhagen.

Keramische Komponenten

Antifouling-Beschichtungen, die in Offshore-Windkraftanlagen den Bewuchs durch marine Organismen reduzieren, Korrosionsschutzschichten für Schiffsrümpfe, transparente Keramiken für Sensoren im Meer – die Vorteile keramischer Komponenten kommen unter den harschen Bedingungen in mariner Umgebung besonders gut zum Tragen. Die Entwicklung solcher Materialien muss nicht nur von Funktionstests, sondern auch von Langlebigkeitsstudien unter Anwendungsbedingungen begleitet werden. Verfügbare Test-Setups im Labor, wie z. B. der Salzsprühtest bilden jedoch immer nur einen Teil der realen Exposition ab. In der Realität sind die Bedingungen ungleich komplexer: Im Wasser gelöst vorliegende Materialien bewirken eine chemische Interaktion, während abrasiv wirkende Partikel wie Sand einen mechanischen Abtrag verursachen. Nicht zuletzt können sich in mariner Umgebung vorhandene Organismen anlagern und Biofouling verursachen. Mit dem Ziel, zukünftig auch unter realen Bedingungen Tests durchführen zu können, beteiligt sich das Fraunhofer IKTS gemeinsam mit drei weiteren Fraunhofer-Instituten am Aufbau der Forschergruppe »Smart Ocean Technologies« (SOT) in Rostock. Die Charakterisierung von Bauteilen unterschiedlichster Geometrie unter realen Bedingungen ist vom Labor über die Auslagerung in permanent durchströmten und überwachten Mesokosmen (Bild 1) bis zum Ausbringen in einem künstlichen Riff in der Ostsee (Bild 3) realisierbar. Die Komponenten und deren Beschichtung werden einer detaillierten Funktions- und Schadensfallanalyse unterzogen. Ebenso wird das Auslaugen/Leachen von Stoffen betrachtet und damit die Grundlage für eine ökotoxikologische Risikobewertung der Komponenten gelegt.

Vom Kunststoff zur Mikroplastik

Während keramische Materialien applikationsbezogen bewusst in die Umwelt eingebracht werden, gelangen Kunststoffe ungewollt ins Meer und können dort erhebliche Schäden verursachen. Verwitterungsprozesse und Fragmentierung führen zur Bildung von Mikroplastik; Additive können ausgetragen werden. Die Entwicklung neuer (auch biodegradierbarer) Kunststoffe sowie die Verwendung wirksamerer Additive erfordern vor dem Inverkehrbringen eine effiziente Testung im Hinblick auf umweltrelevante Nebenwirkungen bei unsachgemäßem Gebrauch. Die erforderliche Analytik wird im SOT testspezifisch angepasst und berücksichtigt sowohl die Oberflächeneigenschaften des Bauteils/Kunststoffs (Mikroskopie, chemische Zusammensetzung, funktionelle Gruppen, Ladung etc.) als auch die Eigenschaften des umgebenden Wassers (Ionenkonzentrationen, DOC etc.). Diese ganzheitliche Betrachtung bereits bei der Entwicklung neuer Materialien ist ein Mehrwert, der für die Anwender aus der Arbeit im SOT resultiert.