Forschung aktuell
Wolframcarbid-Kobalt-Hartmetalle (WC-Co) werden aufgrund ihrer hohen Härte und guten Bruchzähigkeit als Schneidstoff in Zerspanungswerkzeugen eingesetzt. Die Anforderungen an solche Werkzeuge steigen durch höhere Schnittgeschwindigkeiten oder die zunehmende Bearbeitung von schwer zerspanbaren Materialien. Neben den mechanischen Eigenschaften ist z. B. auch die Wärmeleitfähigkeit des Werkzeugmaterials von großer Bedeutung, da während des Schnittprozesses lokal hohe Temperaturen entstehen.
Obwohl die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Gefüge und Hartmetall-Zusammensetzung für technisch relevante Eigenschaften, etwa die Wärmeleitfähigkeit, für WC-Co-Hartmetalle qualitativ bekannt sind, wäre eine modellbasierte Vorhersage zum gezielten Eigenschaftsdesign von Hartmetallen (auch auf neuer Werkstoffbasis, z. B. Cermets) wünschenswert. Eine besondere Herausforderung besteht hier im starken Einfluss der intra und interpartikulären Grenzflächeneigenschaften. Diese können mit bisher etablierten Modellen noch nicht mit befriedigender Übereinstimmung beschrieben werden. Eine effiziente Alternative bieten moderne Methoden der strukturdetaillierten numerischen Modellierung. Mit diesen kann auf Grundlage eines voxelbasierten, synthetisch erzeugten 3D-Geometriemodells der Gefügestruktur die Struktur-Eigenschafts-Korrelation analysiert und zur Eigenschaftsvorhersage bzw. zum gezielten Strukturdesign genutzt werden.
Am Fraunhofer IKTS wurde auf Basis der Verknüpfung vorhandener kommerzieller, Open-Source- und selbstentwickelter Modelltools (GeoDict, ANSYS, CCBuilder, FiPy, Mathematica) ein Workflow für eine entsprechende Analyseplattform entwickelt und am Beispiel der Wärmeleitfähigkeit der WC-Co-Komposite getestet und validiert. Besonderen Wert wurde hierbei auf eine spezifische Form der Grenzflächenbeschreibung gelegt, die eine sonst häufig im Voxelmodell auftretende Verfälschung der Volumenanteile der Bulk-Phasen vermeidet. Ein Vergleich mit umfangreichen experimentellen Daten aus mikroskopischen Gefügeanalysen und Wärmeleitfähigkeits-Messungen belegt, dass mit der neuen Methodik eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den Modellen und den experimentellen Befunden erreicht wird. Die Genauigkeit der erzielten Ergebnisse übertraf die bisherigen empirischen Modellbeschreibungen deutlich.
Die prototypische Anwendung der Methodik repräsentiert ein funktionales Template für ein Mikrostrukturmodell-basiertes Eigenschaftsdesign in dieser Werkstoffgruppe. Die erarbeitete prinzipielle Methodik der voxelbasierten synthetischen Mikrostrukturanalyse ist auch für andere Werkstoffgruppen (Komposite, zelluläre Materialien) und Eigenschaften (elektrisch, Stofftransport, mechanisch) geeignet.