Implantate, Restaurationen und Knochenersatzmaterial

Anwendungsfeld: Bio- und Medizintechnik

Die Forschenden am Fraunhofer IKTS entwickeln neuartige Materialkonzepte und Formgebungstechnologien für oxidkeramische Werkstoffe und Siliciumnitrid für dentale und orthopädische Anwendungen. Alle Entwicklungen können durch Prototypen oder eine gezielte Skalierung in den industriellen Maßstab verwertet werden.

Grundlage der Entwicklungen bildet das tiefgreifende Verständnis von Gefüge-Eigenschaftsbeziehungen in den Materialsystemen Al2O3, ZrO2, ATZ, ZTA und Si3N4. Daraus werden Möglichkeiten des Gefügedesigns (Aufbereitungsparameter, Dotierungen, spezifische Wärmebehandlung etc.) mit dem Ziel der Optimierung mechanischer, physikalischer, chemischer und biologischer Eigenschaften abgeleitet. Neben der Betrachtung mechanischer Eigenschaften spielt besonders das gezielte Design der Oberfläche durch additive oder Near-net-shape-Methoden eine zentrale Rolle, um das Einwachsverhalten und die Zelladhäsion zu verbessern. Kostenintensive Nachbearbeitung wird so minimiert.

Besonders die Formgebungsverfahren uniaxiales Pressen, (Druck-)Schlickerguss, keramischer Spritzguss und additive Verfahren stehen bei der Technologieentwicklung im Fokus. Dies erlaubt die vollständige Abdeckung des Spektrums von individuellen Implantaten bis zur Massenfertigung standardisierter Komponenten. So wurden sowohl individuelle und KI-generierte Fingergelenkimplantate mittels Schlickerguss und additiven Methoden hergestellt als auch standardisierte Abutments über Spritzguss erzeugt.

 

© Fraunhofer IKTS
Patientenindividuelle Fingergelenkimplantate aus Siliciumnitrid, gefertigt über 3D-Druck.
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Keramische Implantat-Werkstoffe für ausgezeichnete Festigkeiten und hohe Biokompatibilität.
Dünnwandiger Oberflächenersatz für das Hüftgelenk.
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Dünnwandiger Hüftgelenkoberflächenersatz.

 

Ein Schwerpunkt bei dentalen und orthopädischen Implantaten aus Oxidkeramik liegt auf neuen Konzepten und Technologien zur Strukturierung der Keramikoberfläche im Formgebungsprozess, so dass eine Nachbearbeitung der gesinterten Keramik nicht mehr notwendig ist. Für anatomische dentale Restaurationen steht eine spezielle TZ3Y-Keramik zur Verfügung, die eine erhöhte Transluzenz und Verschleißbeständigkeit und keine hydrothermale Alterung aufweist. Um die ästhetischen Anforderungen an Kronen bzw. Brückengerüste zu erfüllen, werden die dentalen Restaurationen mit einem Lithiumsilicat-Spray beschichtet, das mit dem TZ3Y-Gerüst einen sehr intensiven Haftverbund bildet. Die Herstellung feinkörniger Dispersionskeramiken (ATZ, ZTA) gehört ebenfalls zum Leistungsangebot.  

Der menschliche Knochen besteht aus zahlreichen Makro-, Meso- und Mikroporen mit einem Durchmesser von 100 bis 700 μm. Diese Porosität ist besonders wichtig für die Stabilität und das Einwachsen von Zellen in den Knochen. Die Forschenden am Fraunhofer IKTS erzeugen mit unterschiedlichen Replika- und Platzhaltertechniken sowie Direktschäumverfahren Knochenersatzmaterialien mit definierten Porositäten.

Mit dem Replika-Verfahren werden offenzellige keramische und metallische Schäume gefertigt, die eine spongiosaartige Struktur besitzen, welche der natürlichen Knochenstruktur des Menschen nahezu identisch ist. Sie eignen sich besonders gut als Ersatzmaterial für Knochendefekte, weil sie von den körpereigenen Knochenzellen und Blutgefäßen durchwachsen und komplett eingebaut werden können. Aufgrund dieser hohen Osteointegration sind schnelle Heilungsverläufe beim Patienten möglich.

Durch die Materialauswahl und den Aufbau der zellularen Keramiken und Metalle kann auch das sogenannte Stress Shielding verhindert werden. Dabei wird – insbesondere im Übergangsbereich zwischen Vollimplantat und Knochen – die Implantatsteifigkeit so eingestellt, dass eine Spannungsabschirmung des Knochens durch das Implantat vermieden wird. Dadurch wird das Knocheneinwachsverhalten verbessert und eine Ursache späterer Implantatlockerungen vermieden. Das Risiko von Revisionsoperationen, die für den Patienten eine große Belastung darstellen, wird verringert.

 

Edelstahlschaum.
© Fraunhofer IKTS
Edelstahlschaum.
Titanimplantat der Größe 24x15x10 mm³.
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Titanimplantat der Größe 24x15x10 mm³.
Mit Knochen durchwachsenes Titanschaumimplantat.
© Fraunhofer IKTS
Mit Knochen durchwachsenes Titanschaumimplantat.

 

Weiterhin werden am Fraunhofer IKTS und IFAM Dresden gemeinsam Knochenersatzmaterialien aus Metallschäumen mit hoher Biokompatibilität entwickelt. Als Materialien werden derzeit Titan und seine Legierungen, Edelstahl 316L sowie Tantal verwendet. Insbesondere die Ergebnisse der Titan-Schaumentwicklungen lassen eine sehr gute Bioverträglichkeit bei hoher Steifigkeit und Festigkeit der Implantate erwarten. Präklinische Versuche zeigten, dass die Titanschäume innerhalb eines halben Jahres komplett vom Knochen durchwachsen werden können und der Knochen sich direkt an die Oberfläche der Stege des Titanschaumes anlegt. Dies resultiert in sehr guten Verbundeigenschaften und Belastbarkeiten.

Darüber hinaus werden auch keramische Knochenersatzmaterialien aus Hydroxylapatit und resorbierbarem Tricalciumphosphat entwickelt. Eine unikale Art des Direktschäumens ist das sogenannte Gefrierschäumen. Es wird benutzt, um potenzielles Knochenersatzmaterial aus körperverwandten Materialien wie Hydroxylapatit- oder Tricalciumpulver [Ca5(PO4)3(OH), Ca2(PO4)3] herzustellen und damit auch den Abbau des künstlichen und den Wiederaufbau körpereigenen Materials zu erlauben. Bioinerte Materialien wie Al2O3 oder ZrO2 sind auch für den Einsatz in langzeitstabilen Implantaten denkbar. Das Fraunhofer IKTS evaluiert und nutzt neue Verfahrensansätze wie die additive Fertigung, um patientenspezifische biomimetische Knochen- oder Zahnstrukturen zu schaffen.

 

Dünnwandiges, keramisches Abutment mit hoher Festigkeit und Präzision (ZrO2, spritzgegossen).
© Fraunhofer IKTS
Dünnwandiges, keramisches Abutment mit hoher Festigkeit und Präzision (ZrO, spritzgegossen).
Gefriergeschäumter Knochenersatz – Teststrukturen.
© Fraunhofer IKTS
Gefriergeschäumter Knochenersatz – Teststrukturen.
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REM-Aufnahme von mineralisiertem Hydroxylapatit auf einem Zahnkeim – Darstellungsgröße 200 µm.