Forschung aktuell
Die präzise Kenntnis der Füllstände in nicht einsehbaren Behältern ist vor allem in der chemischen Industrie oft eine große Herausforderung. Dabei können mit diesem Wissen Prozesse optimiert und Systemausfälle oder Havarien vermieden werden.
Dauerhafte Messung im Betrieb
Oft müssen Messungen der mehrphasigen Füllstände im laufenden Betrieb durchgeführt werden, während die Behälter hohen Drücken ausgesetzt sind oder korrosive Medien enthalten. Es ist auch möglich, dass die Behälter zusätzlichen Sicherheitsvorschriften unterliegen, wie Hochdrucktanks in der Öl- und Gasindustrie, die verschiedene Phasen des Rohölstroms gravitativ voneinander trennen. Sedimentablagerungen oder schnelle Änderungen der Zusammensetzung des Zuflusses können hier die Betriebseffizienz verringern oder unerwünschte, kostspielige Ausfallzeiten verursachen. Das ließe sich durch eine zuverlässige nicht-invasive Online-Messung ausschließen.
Die meisten kommerziellen Füllstandmessverfahren, wie Schwimmkörper, Drucksensoren, Ultraschall Pulse-Echo-Verfahren, geführte Radarwellen oder kapazitive Messungen sind nicht in der Lage, Mehr- und insbesondere Feststoffphasen zuverlässig zu messen. Zudem können sie nur nach teuren baulichen Veränderungen an bestehenden Behältern eingesetzt werden. Eine Ausnahme bilden die aktiven Gammastrahlenverfahren. Diese erfordern jedoch zusätzliche Strahlenschutzvorkehrungen, sodass Personen während der Messung den Bereich nicht betreten dürfen. Das wiederum führt zu hohen Kosten für die Online-Überwachung, z. B. auf Offshore-Plattformen, weswegen das Verfahren in der Praxis kaum für permanente Überwachungen eingesetzt wird.
Neuer Ansatz für Füllstandsmessung
Im Gegensatz zu den vorab beschriebenen Technologien basiert die am Fraunhofer IKTS entwickelte Lösung auf dem Einsatz von geführten elastischen Wellen. Diese werden an der Außenwand eines Behälters durch eine skalierbare Anordnung von piezoelektrischen Aktuatoren angeregt und anschließend gemessen. Entlang ihres Laufweges auf der Außenwand interagieren die aktiv angeregten geführten Ultraschallwellen mit dem Medium im Inneren des Behälters – je nach dessen viskoelastischen Eigenschaften, der Wellenmode sowie dem angeregten Frequenzbereich. Dadurch können zahlreiche Messeffekte genutzt und kombiniert werden, wobei der Haupteffekt eine scheinbare Dämpfung durch Konvertierung in Raumwellen und andere Oberflächenwellen ist. Ein tomographischer Ansatz ermöglicht ein virtuelles Abbild der scheinbaren Dämpfung auf der Außenwand, das dem Behälterinhalt entspricht (Dämpfungstomographie). Das entwickelte Messsystem ist für Behälter verschiedener Geometrien mit und ohne Isolierung geeignet. Zusätzlich verfügt es über eine elektromechanische Selbsttestroutine sowie die Fähigkeit, Wanddickenänderung durch Korrosion und strukturelle Defekte mittels geführter Wellen zu erfassen.
Die hier beschriebenen Arbeiten erfolgten inlangjähriger Kooperation mit der Firma Equinor ASA.